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Anerkennung gemeinsam voranbringen

Runder Tisch Berufsanerkennung am 5. September 2023 in Berlin: Migrantenorganisationen diskutierten über Anerkennungsverfahren und die Neuerungen bei der Fachkräfteeinwanderung.

Vertreterinnen und Vertreter von Migrantenorganisationen aus ganz Deutschland waren am 5. September 2023 zu Gast im BMBF. Beim „Runden Tisch Berufsanerkennung“ zum Thema „Nachhaltige Integration durch Anerkennung – aktuelle Entwicklungen“ diskutierten sie zusammen mit Vertreterinnen und Vertretern von Bundesressorts, Ländern, zuständigen Stellen, Wirtschaft und einigen Bundesprogrammen und -projekten über ihre Erfahrungen und Empfehlungen zur Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen. Dabei ging es auch um die Auswirkungen der neuen Regelungen zur Fachkräfteeinwanderung, die schrittweise bis Juni 2024 in Kraft treten.

Lebhafter und fachlich fundierter Austausch

Arbeiten im erlernten Beruf ist ein wesentlicher Faktor für die erfolgreiche Integration in Deutschland – das ist keine neue Erkenntnis, wurde aber beim regen Austausch im Rahmen des Runden Tischs abermals sehr deutlich. Die anwesenden Migrantenorganisationen brachten ihre Impulse und Erwartungen konstruktiv in die Verfahren zur Berufsanerkennung ein. In einem ersten Block am Vormittag berichteten die Vertreterinnen und Vertreter über ihre Beobachtungen und formulierten Anregungen, wie die Prozesse rund um die Anerkennung besser laufen könnten. Den fachlichen Einstieg dazu bot ein Vortrag einer Mitarbeiterin des BIBB, die die neue Statistik und weitere Analysen aus dem Anerkennungsmonitoring vorstellte. Die bereitgestellten Pinnwände füllten sich zügig. Am Nachmittag widmete sich der Runde Tisch den Änderungen in der Fachkräfteeinwanderung ab 2024. Nach einer Einführung durch das BMBF tauschten die Anwesenden sich über die möglichen Auswirkungen auf die Berufsanerkennung aus.

„Wir freuen uns sehr über die Gelegenheit, heute in diesem Rahmen unsere Expertise in den Diskurs einbringen zu können“, fasste eine Teilnehmerin zusammen. Die Vertreterinnen und Vertreter von Bundesressorts, Ländern, zuständigen Stellen, Wirtschaft und einigen Bundesprogrammen und -projekten zeigten sich sehr interessiert an den Rückmeldungen der Migrantenorganisationen und es entwickelte sich ein fachlich fundierter Austausch. 

„Anerkennung lohnt sich!“

Dass ein offiziell in Deutschland anerkannter Berufsabschluss für eingewanderte Fachkräfte in Deutschland wichtig und wertvoll ist, darüber waren sich die Anwesenden einig. Sie nannten einige Gründe für die Berufsanerkennung:

  • Berufsanerkennung ermöglicht den Zugang zu qualifikationsadäquater Arbeit und eine angemessene Bezahlung.
  • Berufsanerkennung ermöglicht den Zugang zu Weiterbildung.
  • Berufsanerkennung ermöglicht eine nachhaltige Integration, z.B. auch im Fall eines Arbeitgeberwechsels. 
  • Berufsanerkennung schützt vor prekärer Beschäftigung.
  • Berufsanerkennung ist ein Zeichen der Wertschätzung.
  • Viele Arbeitgeber fragen bei ausländischen Abschlüssen nach einem Gleichwertigkeitsbescheid.
  • Auch eine teilweise Anerkennung ist wertvoll und gibt Auskunft über mitgebrachte Qualifikationen – das Ziel muss nicht immer die volle Anerkennung sein.

Die Zahl der Anerkennungen und Zeugnisbewertungen steigt weiter an. Die Zahlen zeigen, dass die zuständigen Anerkennungsstellen der Länder und Kammern sowie die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB) viel leisten, um den rasanten Zuwachs an Anträgen fristgemäß zu bearbeiten und damit dem Fachkräftemangel zu begegnen. 

„Anerkennung läuft nicht optimal“

Im nachfolgenden Austausch zu den Beobachtungen oder Erfahrungen äußerten viele Migrantenorganisationen, dass es je nach Umfang der noch zu erwerbenden Sprachkompetenzen und Qualifizierungsmaßnahmen lange dauern könne, bis die volle Anerkennung erreicht wird. Das Verhältnis von Aufwand und Nutzen werde von den Antragstellenden durchaus in den Blick genommen. Unter anderem gab es folgende Kritikpunkte:

  • Die Anerkennungsverfahren insgesamt sowie die Entscheidungen einiger zuständiger Stellen seien häufig für ausländische Fachkräfte nur schwer zu verstehen.
  • Zum Teil seien die Bescheide unverständlich, nicht nur für Personen mit geringen Deutschkenntnissen.
  • Die Regelungen in der Praxis unterscheiden sich zuweilen je nach zuständiger Stelle oder Bundesland.
  • Häufig müssten viele Unterlagen eingereicht werden.
  • Die Gesamtprozesse und deren Dauer, von der ersten Beratung über die Beschaffung der Unterlagen bis zu möglichen Qualifizierungen, müssten nach weiteren Beschleunigungspotenzialen überprüft werden.
  • Teilweise entstünden hohe Kosten, z.B. für externe Gutachten oder Übersetzungen von Curricula. 
  • Es wird befürchtet, dass sich durch die neuen Regeln zur Fachkräfteeinwanderung die Komplexität der Gesamtprozesse noch erhöhe. 

Was Migrantenorganisationen zur Berufsanerkennung beitragen

Für viele Ratsuchende im In- und Ausland sind Migrantenorganisationen die erste Anlaufstelle – vor allem auch wegen der sprachlichen Nähe genießen sie meist ein hohes Vertrauen. Migrantenorganisationen erhalten schon seit vielen Jahren auch Anfragen zu Themen der Berufsanerkennung, die eng verbunden sind mit Leben und Integration in Deutschland. Migrantenorganisationen sind etablierte Partner in den Strukturen vor Ort. Die meisten anwesenden Organisationen haben in den vergangenen Monaten einen erneuten Anstieg dieser Anfragen festgestellt. Zu den Prozessen der Berufsanerkennung leisten Migrantenorganisationen wichtige Beiträge

  • Migrantenorganisationen beraten und begleiten oft ganzheitlich im gesamten Migrations- und Integrationsprozess. Dabei vermitteln sie zwischen den Ratsuchenden und Behörden, Arbeitgebern etc.
  • Migrantenorganisationen sprechen oft in der Muttersprache der Ratsuchenden. 
  • Migrantenorganisationen bieten geschützte Räume, beispielsweise bei Beschwerden gegenüber deutschen Behörden oder anderen Institutionen.

Die Vertreterinnen und Vertreter der Migrantenorganisationen machten deutlich, wie wichtig ein Zusammenwirken auf Augenhöhe ist. Hier berichteten einige Organisationen über negative Erfahrungen. Die Migrantenorganisationen machten zudem auf eine zunehmende Verbreitung von Desinformationen und Fake News aufmerksam und sehen es als Problem, dass offizielle Informationen nicht bis zu den Ratsuchenden durchdringen. Es sei mühsam, diese Falschinformationen bei den Ratsuchenden wieder richtigzustellen.

Wie können Berufsanerkennung und Einstieg in den Arbeitsmarkt besser gelingen?

Die Migrantenorganisationen präsentierten ihre Vorstellungen, wo oder wie die Prozesse zur Anerkennung optimiert werden können. Unter anderem wurden folgende Bedarfe und Ideen genannt:

  • gezielt gegen Falschinformationen vorgehen, auch und gerade im Kontext der neuen Regelungen zur Fachkräfteeinwanderung
  • Ehrenamtliche zum Fachthema Berufsanerkennung schulen 
  • spezifische Bedarfe von Frauen stärker berücksichtigen, z.B. zeitlich flexible und wohnortnahe Qualifizierungsmaßnahmen und Sprachkurse
  • interkulturelle Öffnung und Antidiskriminierung vorantreiben
  • eine Beschwerdestelle einrichten
  • den Austausch von Migrantenorganisationen und Beratungsstellen untereinander anregen
  • Mehrsprachigkeit in der Beratung stärken
  • bundeslandübergreifende „Anerkennung“ von Qualifizierungen
  • mehr pragmatische Lösungen jenseits der formalen Anerkennungsverfahren fördern, um den Einstieg in den Arbeitsmarkt zu erleichtern, wie z.B. die Bewertung bzw. Anerkennung informeller und non-formaler Qualifikationen (Kompetenzfeststellung)

Wie geht es weiter?

Nach dem intensiven Austausch hatten viele der Anwesenden neue Erkenntnisse gewonnen, fühlten sich vielleicht auch in der ein oder anderen Beobachtung bestätigt und nahmen diverse Merkposten mit in ihre weitere Arbeit. Insbesondere die Rolle und Bedarfe der Arbeitgeber sollten künftig stärker in den Blick genommen werden, so die vielfache Meinung aus dem Plenum. Um die Herausforderungen des Fachkräftemangels zu bewältigen, sei das Zusammenwirken aller am Gesamtprozess erforderlich.

Fazit: Der Runde Tisch hat gezeigt, wie wichtig die Perspektive der Migrantenorganisationen ist. Sie konnten den Blick der Einwandernden und Antragstellenden übermitteln. Die unterschiedlichen Blickwinkel von migrantischer Arbeitgeberseite und Arbeitnehmerseite zeigten auch, dass der Austausch essentiell bleibt, um die Integration von Antragstellenden durch die Anerkennung der ausländischen Berufsqualifikationen nachhaltig zu stärken. Das BMBF als Gastgeber und Initiator freut sich gemeinsam mit dem BIBB über eine Fortsetzung des Formats.