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Beratung der HWK sehr gefragt

Daike Witt vom Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) berichtet im Interview über erste Erfahrungen der Handwerkskammern (HWK) mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz.

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz trat im März 2020 in Kraft, unmittelbar vor der Corona-Pandemie. Welche Erfahrungen haben die Handwerkskammern seitdem bei der Anerkennungsberatung gemacht?

Daike Witt: Die allermeisten der 53 Handwerkskammern (HWK) geben an, dass sie intensiv über die Möglichkeiten der Zuwanderung ausländischer Fachkräfte und die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse beraten haben. Insgesamt meldeten sie knapp 1.700 Anfragen, die zwischen März und Dezember 2020 zu diesem Thema bei ihnen eingegangen sind. Das geht aus der aktuellen HWK-Befragung zur Anerkennung hervor, die das BIBB-Anerkennungsmonitoring regelmäßig gemeinsam mit dem ZDH durchführt.

Wer waren die Beratungssuchenden, die sich an die Kammern gewendet haben? 

Daike Witt: Die Kammern berichten uns, dass vor allem viele Betriebe Beratungsbedarf zum Thema Fachkräfteeinwanderung hatten. Anfragen kamen auch von Ausländerbehörden und von Anerkennungsinteressierten oder deren Kontaktpersonen in Deutschland wie z.B. Freunden oder Familie. 

Zu welchen Themen hat die Beratung hauptsächlich stattgefunden? 

Daike Witt: Das Spektrum ist relativ weit. Die meisten Fragen bezogen sich auf den Ablauf des Anerkennungsverfahrens, das von den Handwerkskammern durchgeführt wird. Da wird z.B. gefragt, welche Unterlagen in welcher Form eingereicht werden müssen, damit das Verfahren beginnen kann. Oder welche Möglichkeiten zur Anpassungsqualifizierung bestehen, wenn eine teilweise Gleichwertigkeit des Abschlusses festgestellt wird. Viele Fachkräfte und die Betriebe erkundigen sich auch ganz generell nach den Möglichkeiten zu Einreise und Aufenthalt von Fachkräften aus dem nicht-europäischen Ausland. Es ist neu, dass die Fachkräfteeinwanderung aus Drittstaaten nicht mehr auf festgelegte Mangelberufe beschränkt ist, sodass viel mehr Menschen hier eine echte Chance erhalten. Aber der Einwanderungsprozess für Fachkräfte bleibt insgesamt relativ komplex und voraussetzungsreich. Kleine und mittelständische Betriebe haben deshalb sehr viele Fragen, wie sie diese Chancen zur Gewinnung von neuen Fachkräften in der Praxis nutzen können.

Sie haben Ausländerbehörden genannt, die häufig Beratung bei den Kammern anfragen. Was ist der Grund dafür?

Daike Witt: Die Ausländerbehörden haben neue Aufgaben erhalten und sollen eine Schnittstelle zwischen den am Einwanderungsprozess beteiligten Behörden herstellen. Daraus folgt ein erhöhter Informationsbedarf über die Arbeitsprozesse anderer Akteure, wie z.B. den Handwerkskammern: Das beschleunigte Fachkräfteverfahren nach § 81a Aufenthaltsgesetz soll die Einreise von Fachkräften aus Drittstaaten erleichtern. Wenn ein konkretes Arbeitsplatzangebot vorliegt, kann der Arbeitgeber in Vollmacht der ausländischen Fachkraft bei der zuständigen Ausländerbehörde ein gebührenpflichtiges Verfahren beantragen, das die Dauer des Verfahrens bis zur Erteilung des Visums verkürzt. Die Ausländerbehörde leitet u.a. das Anerkennungsverfahren in die Wege. Sie muss deshalb über die Voraussetzungen und Abläufe der Berufsanerkennung Bescheid wissen. Eine intensive regionale Kooperation zwischen Handwerkskammern und Ausländerbehörden trägt maßgeblich dazu bei, dass erfolgsversprechende Anerkennungsanträge gestellt werden und sich damit die Investition der Betriebe in das kostenpflichtige beschleunigte Verfahren lohnt. Für die Kooperation von Ausländerbehörden und Handwerkskammern vor Ort gibt es schon eine ganze Menge positiver Beispiele.

Gibt es darüber hinaus neue Herausforderungen bei der Beratung?

Daike Witt: Die Kammern berichten, dass häufiger Anfragen aus dem Ausland gestellt werden. Diese sind eine besondere Herausforderung, wenn es sprachliche Verständigungsschwierigkeiten gibt. Einige Betriebe, so die Rückmeldung der Kammern, haben von den neuen Möglichkeiten gehört und haben hohe, aber nicht immer realistische Erwartungen. Viele Betriebe hoffen, möglichst schnell Arbeitskräfte aus dem Ausland gewinnen zu können. Wenn es sich um qualifizierte Fachkräfte handelt, funktioniert dies in der Regel auch gut. An einigen Stellen, z.B. bei der Visa-Erteilung, kann es aber immer noch zu Engpässen kommen. Wenn die Verfahren doch länger dauern als erhofft oder die Voraussetzungen für die Anerkennung nicht gegeben sind, kann der Frust bei den Betrieben recht hoch sein. 

Wie viele Anträge zum beschleunigten Fachkräfteverfahren wurden bereits gestellt?

Daike Witt: Die Kammern haben uns für den Zeitraum vom 1. März bis 31. Dezember 2020 rund 340 Anträge im beschleunigten Fachkräfteverfahren gemeldet. Darüber hinaus geben mehr als die Hälfte der Kammern an, dass seit Inkrafttreten des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes vermehrt Anträge auf Anerkennung aus Drittstaaten bei ihnen eingehen. Dies zeigt, dass sich trotz der zeitweise geltenden Einreisebeschränkungen durch Corona zahlreiche Fachkräfte im Ausland auf die Zuwanderung vorbereiten. Die neuen Möglichkeiten wirken sich positiv auf die Nachfrage nach Anerkennung im Handwerk aus – so lassen es zumindest diese ersten Ergebnisse vermuten. 

Das Interview mit Daike Witt fand im Mai 2021 statt. Als Referatsleiterin in der Abteilung Berufliche Bildung beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) beschäftigt sie sich auch mit der Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen im Handwerk.

Wichtige Informationen zur Zuständigkeit und Details zum Anerkennungsverfahren z. B. für Berufe im Handwerk bieten Profi-Filter und Anerkennungs-Finder in diesem Portal.

Mehr als 100.000 Beratungen

Die Handwerkskammern (HWK) haben seit Inkrafttreten des Anerkennungsgesetzes im April 2012 bis Ende 2020 mehr als 100.000 Beratungen zur Anerkennung gemeldet. Dies geht aus den HWK-Befragungen hervor, die das Anerkennungsmonitoring am Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) gemeinsam mit dem ZDH halbjährlich zum Thema Anerkennung durchführt. Hier geht es vor allem darum, die Beratungstätigkeit der Handwerkskammern zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen zu erfassen und sichtbar zu machen. Denn diese ist ein wichtiger und oft auch zeitintensiver Teil des Anerkennungsprozesses. Die Ergebnisse der Befragungen fließen u.a. in die Berichte zum Anerkennungsgesetz des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) ein.