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Ein Angebot des Bundesinstituts für Berufsbildung

Ein digitaler Antrag für alle

Aline Martin und Sven Mückenheim erläutern die Rolle von „Anerkennung in Deutschland“ beim Aufbau des digitalen Antragsservice Anerkennung.

Über den Anerkennungs-Finder von „Anerkennung in Deutschland“ können Fachkräfte aus aller Welt den Antrag auf Anerkennung ihrer ausländischen Berufsqualifikation online einreichen. Ermöglicht wird dies durch den digitalen Antragsservice, eine Zusammenarbeit von Bund, Ländern und dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). Zehn Bundesländer sowie die IHK FOSA sind bereits mit vielen Berufen angeschlossen.

Im Interview erläutern Aline Martin und Sven Mückenheim, die auf Seiten des BIBB am Projekt mitwirken, die Rolle von „Anerkennung in Deutschland“ sowie die Herausforderungen beim Auf- und Ausbau des digitalen Antragsservice Anerkennung.

Der digitale Antragsservice ist nun schon ein bekannter Begriff, aber was verbirgt sich dahinter?

Sven Mückenheim: Dahinter steht die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG). Damit sollten alle Verwaltungsleistungen in Deutschland digitalisiert werden – darunter auch die Anerkennung. Denn auch hier gab es keine vollständigen digitalen Angebote. 2019 haben die ersten Überlegungen im Bereich Bildung begonnen. Expertinnen und Experten wurden zu einem „Digitalisierungslabor Anerkennung“ zusammengerufen. Dort wurde dann versucht, die ideale User-Journey exemplarisch für den Beruf Ärztin zu entwerfen.

Nach einer technischen Vorstudie startete 2020 das Umsetzungsprojekt unter Federführung des Landes NRW und finanziert durch den Bund. Das Ziel: Entwicklung eines digitalen Dienstes, dem sich möglichst alle Bundesländer anschließen – einer sogenannten „Einer-für-Alle-Lösung“.

Aline Martin: Und das natürlich auch für möglichst alle Berufe. Denn es gibt eine Vielzahl von Berufen des Bundes und der Länder und damit auch unterschiedliche Anerkennungsverfahren. Dazu wurden schon früh systematisch ähnliche Berufe geclustert, um einen möglichst guten Überblick über alle Berufe und Verfahren zu bekommen.

Danach wurden Arbeitsgruppen mit Fachvertreterinnen und Fachvertretern aus Bund und Ländern gebildet, um die digitalen Antragsstrecken zu erarbeiten. Dazu wurden die Antragsformulare in Papierform gesichtet, die gesetzlichen Voraussetzungen noch einmal unter die Lupe genommen und versucht, einheitliche digitale Anträge für die teilnehmenden Länder zu gestalten.

Sven Mückenheim: Diese Anträge mussten natürlich auch entwickelt und getestet werden, die Voraussetzungen für die technische Anbindung der Stellen geschaffen werden. Und hinter allem steht natürlich auch eine große organisatorische Struktur mit den teilnehmenden Ländern für die strategische Planung.

Wie wirkt „Anerkennung in Deutschland“ genau dabei mit? 

Aline Martin: Wir haben zunächst die Berufe beziehungsweise die Anerkennungsverfahren sinnvoll gebündelt. Es ist uns gelungen, die Berufe und ihre Anerkennungsverfahren in zehn Cluster aufzuteilen. In den entsprechenden Arbeitsgruppen ging es dann darum, die spezifischen Antragsstrecken zu entwerfen. Gemeinsam mit dem BMBF (jetzt BMBFSFJ1), dem Land NRW und den Fachexpertinnen und Fachexperten aus Bund und Ländern haben wir intensiv zusammengearbeitet. Das umfasste unter anderem die Teilnahme in den AGs, die Klärung von Fachfragen sowie das Einbringen der Expertise aus dem Anerkennungsportal. Durch die Arbeit im Anerkennungs-Finder kennen wir die Voraussetzungen und Anerkennungsverfahren für alle Berufsqualifikationen und haben einen umfassenden Blick über die Berufe und Verfahren in allen Bundesländern.

Sven Mückenheim: Der Anerkennungs-Finder stand auch schon früh als idealer Ausgangspunkt für einen digitalen Antrag fest. Denn genau dort erklären wir unserer Zielgruppe – den internationalen Fachkräften – das spezifische Anerkennungsverfahren für ihre jeweilige Berufsqualifikation. Diese Informationen sind an keinem anderen Punkt so umfassend und konzentriert zugänglich. Außerdem ist das Anerkennungsportal seit 2012 weltweit bekannt und wird von der Zielgruppe gut gefunden und genutzt. Das Ergebnis: Nun können die Fachkräfte aus dem Anerkennungs-Finder heraus direkt in den Online-Antrag starten. Alles wirkt wie aus einem Guss und das erleichtert die Antragstellung. Unsere bundesweite Übersicht, Kenntnis und Systematisierung von Berufen haben natürlich bei der Realisierung einer solch riesigen digitalen Leistung geholfen.

Aline Martin: Und genau darauf baut der Antragsservice auf: Die User-Journey im Anerkennungs-Finder endet dann nicht mehr mit der Information über die Verfahren und an wen man sich wenden muss. Nutzerinnen und Nutzer können vielmehr direkt und gut informiert in den Online-Antrag starten. Hier wirken Bund und Länder Hand in Hand zusammen.

Was waren aus Ihrer Sicht die wichtigsten Meilensteine für die digitale Antragstellung?

Aline Martin: Ein Meilenstein ist natürlich, dass überwiegend bundesweit einheitliche Anträge entwickelt werden konnten – und das für etwa 880 Berufe. Der erste „sichtbare“ Meilenstein war ohne Zweifel der Go Live des Online-Antrags für Ärztinnen und Ärzte in NRW. Seitdem sind viele zuständige Stellen und Bundesländer hinzugekommen. Aktuell sind zuständige Stellen aus zehn Bundesländern mit unterschiedlichen Berufen online.

Sven Mückenheim: Wir erkennen in einem derart großen Projekt vor allem die vielen unsichtbaren „internen“ Meilensteine. Dazu gehören organisatorische, technische, fachliche und rechtliche Aufgaben. Federführend in dem gesamten Prozess bis letztlich zum nun verfügbaren Antragsservice ist das MAGS NRW.2 Das BMBFSFJ begleitet das Projekt. Wir schauen hier auf eine sehr vertrauensvolle und produktive Zusammenarbeit zurück. Gemeinsam mit allen beteiligten Ländern ist es gelungen, die Anträge und Anforderungen sprachlich und inhaltlich zu harmonisieren. Dies ist tatsächlich ein großer Gewinn für Fachkräfte, zuständige Stellen und Beratende.

Aline Martin: Nicht zu vergessen ist auch der Anschluss der IHK FOSA im Mai 2025. Denn nun können Fachkräfte ihren Antrag bundesweit für über 250 Berufe in Industrie und Handel online einreichen. Davor stand aber auch der Übergang in den sogenannten Linienbetrieb. Das heißt, der Antragsservice ist etabliert und wird dauerhaft betrieben.

Was sind die nächsten Etappen beim Ausbau des digitalen Antragsservice?

Sven Mückenheim: Aktuell sind 13 Länder am Antragsservice beteiligt. Dies bedeutet aber noch nicht, dass Anträge zu allen Berufen in allen Ländern digital verfügbar sind. Vielmehr müssen die einzelnen zuständigen Stellen auch technisch angebunden werden. Zwar arbeiten die Länder mit viel Engagement daran, gleichzeitig sind aber viele technische und rechtliche Schritte zu bewältigen. Dies nimmt leider viel Zeit in Anspruch. Und mit der Anbindung allein ist es nicht getan: Wir haben gemeinsam den digitalen Antrag gestaltet. Die Länder müssen aber auch die Daten konsequent digital empfangen und in Softwaresystemen bearbeiten können. Denn nur damit wird die eigentliche fachliche Arbeit beschleunigt und erleichtert.

Aline Martin: Dazu gehört auch der Blick auf den kompletten Prozess von Information über den Antrag und die Bearbeitung in den zuständigen Stellen bis hin zum Bescheid und der Veraktung. Das sind aber Aufgaben, die nicht direkt zum Umfang des Antragsservice und den Zielen des OZG gehörten.

Sven Mückenheim: Aber gleichzeitig kann so eine ländergemeinsame Entwicklung eine gute Basis für weitere technische Bausteine bieten. Das BMBFSFJ, NRW und die übrigen Länder arbeiten inzwischen auch in diesem Punkt zusammen. Auch hier ist das BIBB beteiligt.

Aline Martin: Das Schöne und ein übergeordneter Meilenstein ist auch, dass der Antragsservice nun ein guter Ausgangspunkt für weitere gemeinsame Entwicklungen ist, um die Anerkennungsverfahren weiter zu beschleunigen und zu vereinfachen.

Das Interview fand im Oktober 2025 statt. Aline Martin und Sven Mückenheim sind wissenschaftliche Mitarbeiter im BIBB-Arbeitsbereich „Anerkennung von ausländischen Berufsqualifikationen“. Kontakt für Fragen: Feedback zum Portal

Internationale Fachkräfte stellen ihren Antrag im Anerkennungs-Finder: Im letzten Schritt „Ihr Verfahren“ finden sie den Button „Onlineantrag“.

1 BMBFSFJ: Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend
2 MAGS NRW: Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen